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Verhaltensbedingte Kündigung: Alle Informationen zu Voraussetzungen, Folgen und Rechtsschutz

Arbeitsrecht Kündigung Abmahnung Kündigungsschutz

Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen eines Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten, liegt eine verhaltensbedingte Kündigung vor. Diese ist bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nur zulässig, wenn dem Arbeitgeber wegen des Verhaltens seines Mitarbeiters die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Dies erfordert eine umfassende Abwägung aller Interessen der Beteiligten im Einzelfall, was die verhaltensbedingte Kündigung in der Praxis besonders fehleranfällig macht.

Wütender Mitarbeiter

Wann liegt eine verhaltensbedingte Kündigung vor? 

Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert stets ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers. Dieser muss hierdurch gegen bestehende Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen, wobei bereits Nebenpflichten wie zur Geheimhaltung dienstlicher Informationen genügt. Nicht steuerbares Verhalten wie etwa die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit führt hingegen allenfalls zu personenbedingten Kündigungen. 

Die verhaltensbedingte Kündigung kommt primär in zwei Varianten in Betracht: als außerordentliche fristlose Kündigung und als ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsfrist. Für erstere muss das Verhalten des Mitarbeiters zwingend einen wichtigen Grund darstellen, der dem Arbeitgeber das Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar macht. Doch auch die ordentliche Kündigung erfordert einen besonderen Kündigungsgrund, wenn das Kündigungsschutzgesetz greift. 

Dieses findet grundsätzlich Anwendung, wenn beim Arbeitgeber regelmäßig mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt sind und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Greift das Kündigungsschutzgesetz nicht ein, besteht nur ein sehr eingeschränkter Kündigungsschutz im Kleinbetrieb. Doch auch hier muss – wie in jedem Fall – die Kündigung schriftlich erfolgen, ein etwaig bestehender Betriebsrat zuvor ordnungsgemäß angehört und ein besonderer Kündigungsschutz beachtet werden. Ein solcher besteht etwa für SchwerbehinderteSchwangere und Auszubildende.

Voraussetzungen für verhaltensbedingte Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz 

Damit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtmäßig ist, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Vorwerfbare Pflichtverletzung: Es bedarf der Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht durch ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers. Zudem muss der Verstoß rechtswidrig und vorwerfbar sein. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn das Verhalten gerechtfertigt oder entschuldigt (also nicht vorsätzlich oder fahrlässig) erfolgte. 

  • Verhältnismäßigkeit: Die Kündigung muss ferner verhältnismäßig sein. Es dürfen also keine milderen Mittel wie eine Abmahnung oder die zumutbare Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. 

  • Interessenabwägung: Abschließend muss das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand abgewogen werden. Geht diese zugunsten des Arbeitnehmers aus, ist die Kündigung rechtswidrig.

Erhebliche Pflichtverletzungen für verhaltensbedingte Kündigungen

Nicht jede Verletzung vertraglicher Pflichten berechtigt zur verhaltensbedingten Kündigung. Es ist vielmehr bereits auf dieser Stufe eine erhebliche Pflichtverletzung nötig, die „an sich“ geeignet ist, eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Verstoß muss also bei rein abstrakter Betrachtung geeignet sein, das notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer zu zerstören, sodass diesem die Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist.

Klassische erhebliche Pflichtverletzungen in diesem Sinn sind Diebstähle am Arbeitsplatz (auch bei geringwertigen Sachen), Tätlichkeit oder Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber sowie sexuelle Belästigung. Auch Arbeitszeitbetrug ist an sich zur Kündigung geeignet. Ein solcher liegt etwa vor, wenn der Arbeitnehmer falsche Überstunden (auch in Absprache mit dem Abteilungsleiter) notiert oder trotz eines Verbots das Internet und Telefon während der Arbeitszeit privat nutzt. Auch die unabgesprochene Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten oder schuldhafte Minderleistungen genügen an dieser Stelle.

Hingegen berechtigt das private Verhalten des Arbeitnehmers in dessen Freizeit grundsätzlich nicht zur Kündigung. Anders ist dies nur, wenn das außerbetriebliche Verhalten das Arbeitsverhältnis berührt. So etwa, wenn der Mitarbeiter Hasstiraden über sein Facebook-Konto verbreitet und dazu beispielsweise Fotos von sich in erkennbarer Arbeitskleidung und auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers verwendet.

Verhältnismäßigkeit: Erfolglose Abmahnung in der Regel nötig

Da die verhaltensbedingte Kündigung den Arbeitnehmer am Stärksten beeinträchtigt, muss sie das letzte Mittel sein, um die Pflichtverletzung zu beseitigen. In der Regel ist – jedenfalls beim ersten Verstoß des Mitarbeiters – eine Abmahnung ausreichend. Diese milderen Mittel hat der Arbeitgeber entsprechend zu wählen; eine Kündigung ohne vorherige rechtmäßige Abmahnung ist nicht möglich. Arbeitgeber sollten deshalb besonders auf inhaltlich zutreffende, hinreichend konkrete und rechtlich haltbare Abmahnungen achten. 

In Ausnahmefällen ist keine vorherige Abmahnung erforderlich. So etwa bei besonders schwerwiegenden Pflichtverstößen im engsten Vertrauensbereich (z. B. Diebstahl) oder wenn eine Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Letzteres liegt vor allem vor, wenn der Arbeitnehmer bereits angekündigt hat, die Pflichtverletzung erneut zu begehen. Meist wird in diesen Fällen sogar eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. 

Ein weiteres Mittel vor der Kündigung ist im Einzelfall die Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Pflichtverstoß eng mit dem konkreten Arbeitsplatz verbunden ist und das Vertrauen in den Arbeitnehmer nicht per se zerstört ist (z. B. bei streng abteilungsbezogenen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und vor Vorgesetztem). In diesem Fall sind eine Versetzung im Rahmen des Direktionsrechts oder eine Änderungskündigung vorrangig.

Verhaltensbedingte Kündigung: Interessenabwägung im Einzelfall

Da im ersten Schritt oben nur geprüft wird, ob die Pflichtverletzung „an sich“ eine Kündigung rechtfertigt, muss vor jeder verhaltensbedingten Entlassung abschließend eine umfassende Interessenabwägung am Einzelfall erfolgen. Es ist das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand zu vergleichen. 

Zugunsten des Arbeitnehmers fließen in die Abwägung vor allem dessen Alter, die Dauer der beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und etwaige Unterhaltspflichten ein. Auf Arbeitgeberseite sind die Schwere der Pflichtverletzung, deren Folgen für den Betrieb und die Wiederholungsgefahr einzustellen. 

Ein spannendes Beispiel für die Interessenabwägung findet sich in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2018, Az. 2 AZR 370/18: In diesem Fall war der 51-jährige Kläger über 15 Jahre beim Arbeitgeber beschäftigt und leistet Unterhalt an seine Frau und zwei Kinder. In Absprache mit seinem Vorgesetzten, aber ohne Kenntnis des Arbeitgebers, rechnete der Mitarbeiter über fünf Jahre lang monatlich sieben Überstunden mehr ab, als er tatsächlich gearbeitet hatte. Dadurch sollte eine zuvor weggefallene Zulage ausgeglichen werden. Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangte, kündigte er dem Mitarbeiter verhaltensbedingt. 

Laut Bundesarbeitsgericht fällt die Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers aus. Zu seinen Lasten würdigt das Gericht insbesondere die besondere Schwere des Pflichtverstoßes durch falsche Angaben bei den Überstunden über mehrere Jahre. Dass er sein Verhalten mit dem Vorgesetzten abgesprochen hatte, mindert die Vorwerfbarkeit nicht, sondern erhöht sie sogar. Immerhin führt diese Absprache zu einer besonderen Heimlichkeit, die dem Arbeitgeber ein Aufdecken des Sachverhalts wesentlich erschwert. Dies überwiegt auch die für den Arbeitnehmer besprechenden Punkte (hohes Alter, lange Betriebszugehörigkeit und drei Unterhaltspflichten).

Weitere Folgen und Rechtsschutz gegen verhaltensbedingte Kündigungen

Haben Sie als Arbeitnehmer eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten, verlieren Sie nicht nur Ihren Arbeitsplatz, sondern es droht zudem eine Sperrzeit von 12 Wochen beim Bezug von Arbeitslosengeld. Immerhin ist bei einer solchen Entlassung der Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes selbst verantwortlich.

Die Sperrzeit können Sie aber meist mit einer Kündigungsschutzklage verhindern. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie sich grundsätzlich binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung gerichtlich zur Wehr setzen. Wir beraten Sie gerne offen und ehrlich über die Erfolgsaussichten einer Klage und erarbeiten mit Ihnen das ideale Vorgehen in Ihrem konkreten Fall. Kontaktieren Sie uns daher gerne telefonisch oder über unser Kontaktformular.

Artikelreihe "Kündigungsgründe"