Sachverhalt des BAG-Urteils zur Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel
Dem Urteil des BAG (Bundesarbeitsgerichts) vom 23.01.2024 (Aktenzeichen: 9 AZR 115/23) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, war als Flugkapitän für die beklagte Fluggesellschaft mit Sitz in Dublin tätig. Die Beklagte verfügte über eine irische Fluglizenz, setzte den Kläger jedoch dauerhaft am Flughafen Berlin-Schönefeld ein, wo sich die von ihm geflogenen Maschinen befanden. Dort hatte er auch seinen Wohnsitz und war zur deutschen Sozialversicherung angemeldet. Die Vergütung erhielt er dagegen unter Anwendung irischen Steuerrechts auf ein irisches Bankkonto.
Vor Beginn der Tätigkeit schlossen die Parteien im April 2016 einen englischsprachigen Arbeitsvertrag, der eine Rechtswahl zugunsten irischen Rechts und der ausschließlichen Zuständigkeit irischer Gerichte vorsah. Zudem enthielt der Vertrag eine Klausel zur Rückzahlung von Schulungskosten für ein Type-Rating-Training im Umfang von 25.000 €, falls das Arbeitsverhältnis innerhalb von fünf Jahren beendet würde. Die Rückzahlungspflicht war nach Zeitabschnitten gestaffelt und sollte nur bei betriebsbedingter Kündigung oder besonderer Vereinbarung entfallen.
Der Kläger absolvierte von Oktober 2016 bis Februar 2017 in Großbritannien den erforderlichen Type-Rating-Kurs. Mit Schreiben vom 4. März 2018 kündigte er das Arbeitsverhältnis zum 5. Juni 2018. Daraufhin verlangte die Beklagte von ihm die anteilige Rückzahlung von 20.000 €, was der Kläger verweigerte. In der Folge rechnete die Beklagte das Arbeitsentgelt für April bis Juni 2018 ab und behielt insgesamt 17.124,34 € als angebliche Schulungskosten ein.
Der Arbeitnehmer erhob daraufhin Klage auf Auszahlung des einbehaltenen Gehalts nebst Zinsen und argumentierte, deutsches Recht sei maßgeblich und die Rückzahlungsklausel benachteilige ihn unangemessen, weshalb sie unwirksam sei. Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung mit der Begründung, ausschließlich irisches Recht sei anwendbar und die Rückzahlungsvereinbarung wirksam.
Anwendbarkeit deutschen Rechts zur AGB-Kontrolle der Rückzahlungsklausel
Trotz einer ausschließlichen Gerichtsstandklausel zugunsten irischer Gerichte im Arbeitsvertrag erklärte das Arbeitsgericht erster Instanz sich mit einem rechtskräftigen Zwischenurteil für international zuständig.
Die europarechtliche Rom-I-Verordnung regelt für vertragliche Schuldverhältnisse – also unter anderem auch Arbeitsverträge – welche Rechtsordnung welchen Landes auf das Vertragsverhältnis jeweils anwendbar ist. Grundsätzlich besteht demnach die Möglichkeit eines Wahlrechts, die Parteien können also theoretisch im Vertrag regeln, nach dem Recht welchen Landes sich der Vertrag richten soll.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO darf aber durch die Rechtswahl der unabdingbare Arbeitnehmerschutz des objektiv anwendbaren Rechts – also des Rechts, das ohne die Rechtswahl anwendbar wäre – nicht unterlaufen werden. Zwar hatten die Parteien im Arbeitsvertrag irisches Recht gewählt, doch nach der Rom-I-Verordnung darf diese Rechtswahl demnach nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der zwingende Schutz des deutschen Arbeitsrechts entzogen wird, weil er seine Arbeit gewöhnlich in Deutschland verrichtet hat. Ohne die Rechtswahl wäre deutsches Recht anwendbar gewesen, da der Kläger seine Arbeit gewöhnlich in Deutschland verrichtete (Berlin-Schönefeld als „Heimatbasis“).
Damit mussten die deutschen Vorschriften zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen angewendet werden. Vorformulierte Muster-Arbeitsverträge, die für eine Vielzahl von Arbeitnehmern gleichermaßen genutzt werden, unterfallen dem Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Gemäß §§ 305 ff. BGB besteht bei AGB eine Kontrollmöglichkeit. Das bedeutet kurz gesagt, dass vertragliche Klauseln gewisse Mindestanforderungen an deren Inhalt und Transparenz erfüllen müssen. Ergibt eine sogenannte AGB-Kontrolle, dass diese Mindestanforderungen bei einer vertraglichen Klausel nicht eingehalten wurden, kann die Klausel als unwirksam eingestuft werden.
Die AGB-Kontrolle ist zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO. Auch wenn irisches Recht gewählt wurde, mussten daher die deutschen AGB-Regeln angewendet werden, da ansonsten deutsches Recht gegolten hätte.
Unangemessenheit einer Rückzahlungsklausel bzgl. Ausbildungskosten
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Rückzahlungsklausel für Schulungskosten unwirksam ist. Die Klausel verpflichtete den Kläger, bei Eigenkündigung innerhalb von fünf Jahren anteilig bis zu 25.000 € an Schulungskosten zurückzuzahlen. Ausnahmen sollte es nur bei betriebsbedingter Kündigung („Freisetzung von Arbeitskräften“) oder Sondervereinbarung durch die Arbeitgeberin geben.
Die Rückzahlungsklausel benachteiligte den Kläger unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB, weil er die Schulungskosten auch dann hätte erstatten müssen, wenn er aus berechtigten Gründen kündigt, die vom Arbeitgeber verursacht wurden. Eine solche Verpflichtung schränkt die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise ein. Da die Klausel gedanklich nicht in verschiedene Abschnitte teilbar war, entfiel die gesamte Klausel ersatzlos und damit auch die Rückzahlungspflicht, § 306 BGB.
Folglich durfte die Beklagte nicht mit den Schulungskosten gegen den Vergütungsanspruch des Klägers aufrechnen. Der Kläger hatte daher Anspruch auf Auszahlung des einbehaltenen Gehalts einschließlich Zinsen.
Kompetente Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht
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