Sachverhalt des BAG-Urteils zu Bezugnahmeklauseln in alten Arbeitsverträgen

Die Parteien haben über die Anwendung von Tarifverträgen auf ihre jeweiligen Arbeitsverhältnisse gestritten. Die Klägerin und der Kläger waren bereits seit über 20 Jahren bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. In den – zunächst befristeten – Arbeitsverträgen ist Folgendes vereinbart gewesen: 

„Wird das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert, gelten die in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung.“ 

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war zunächst tarifgebundenes Mitglied in der Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände e.V. Mit Ablauf des Jahres 2013 wechselte sie in eine Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit

Im Februar 2018 wurde sodann zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. und der IG Metall ein Abkommen über die Entgelte in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens geschlossen. Diese vorgesehene Tarifentgelterhöhung wurde nicht an die Klägerin und den Kläger weitergegeben. 

Mitte Juli 2020 wurde über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet, wobei sodann in der Folgezeit unter anderem die Arbeitsverhältnisse der Klägerin und des Klägers im Wege eines Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte übergingen. 

Mit ihren Klagen begehrten die Klägerin und der Kläger die Zahlung von Entgeltdifferenzen zwischen der ihnen gezahlten und einer ihnen nach dem Entgeltabkommen von 2018 zustehenden Vergütung im Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021. Dabei hatten sie die Ansicht, dass ihre Arbeitsverträge eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge enthielten und nicht lediglich eine sogenannte Gleichstellungsabrede.

Die Beklagte begründete ihren Antrag auf Klageabweisung damit, dass in den beiden Arbeitsverträgen vielmehr nur eine Gleichstellungsabrede vereinbart worden sei und mangels eigener Tarifgebundenheit oder einer solchen ihrer Rechtsvorgängerin sie daher nicht zur Weitergabe der Tarifentgelterhöhung gewesen sei.

Grundsätze eines Tarifvertrages

Bei Tarifverträgen handelt es sich um Verträge, die dem Zweck der allgemeinen Regelung von Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen und dazu gedacht sind, für alle tarifgebundenen Betriebe Vorgaben zu einzelnen Arbeitsverträgen zu machen. Dies wird auch in § 1 Tarifvertragsrecht (TVG) klargestellt. Danach regelt ein Tarifvertrag „die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.“. Die Vorgaben sind für die Arbeitgeber verbindlich und sollen den Arbeitnehmer schützen.

Die dynamische Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag

Unter einer dynamischen Bezugnahmeklausel in einem Arbeitsvertrag versteht man eine Klausel, nach der sich ein Arbeitsverhältnis nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag richtet. Hiervon sind auch alle zukünftigen Änderungen umfasst, was bedeutet, dass Lohnsteigerungen, neue Regelungen oder andere Anpassungen des Tarifvertrags automatisch und ohne eine weitere Vereinbarung auf das jeweilige Arbeitsverhältnis angewendet werden. 

Urteil des BAG bzgl. der Auslegung einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag

Nach der Entscheidung des BAG ergibt sich für die Klägerin und den Kläger kein Anspruch auf Zahlung der begehrten Vergütung aus § 611a Absatz 2 BGB in Verbindung mit dem Entgeltabkommen von 2018. 

Dies begründet das BAG damit, dass es sich bei den in den Arbeitsverträgen enthaltenen Verweisungen auf die Tarifverträge lediglich um sogenannte Gleichstellungsabreden handelt. Die arbeitsrechtlichen Vereinbarungen von Kläger und Klägerin aus 1988 bzw. 1991 sind Formularverträge, deren Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind.

So galt nach der früheren Rechtsprechung des BAG die Auslegungsregel, dass es einem Arbeitgeber, der durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln an Tarifverträge gebunden war, nur darum ging, durch die Bezugnahme die nicht in einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrags gleichzustellen

Mit einer solchen, von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel, solle lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des nicht in einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um zumindest zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages auf das betreffende Arbeitsverhältnis zu kommen. Daraus hat das Gericht schließlich die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext die Bezugnahmeregelungen in der Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen sind. 

Zwar hat das BAG diese Rechtsprechung für vertragliche Bezugnahmeregelungen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind, aufgegeben

Aus Gründen des Vertrauensschutzes wendet das BAG diese Auslegungsregel jedoch weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkraftreten der Schuldrechtsreform vereinbart wurden. Dabei werden die Klausen eingeschränkt dahingehend ausgelegt, dass diese nur so weit reichen, wie dies bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer der Fall wäre, also dann enden, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifverträge gebunden ist. 

Mit dem Ende der Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten endete also auch die dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens und später geschlossene Tarifverträge sind von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst.

Den Klauseln ist auch kein anderes Verständnis zugrunde zu legen, weil die Gewährung von Vertrauensschutz für die vor dem 01.01.2002 geschlossenen Verträge zu einer unzulässigen Diskriminierung der Arbeitnehmer wegen des Alters führen würde. Der Vertrauensschutz knüpft einzig an das Datum des Vertragsschlusses an und steht mit dem Alter der Vertragsschließenden in keinem Zusammenhang.

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