Sachverhalt des BAG-Urteils zur Kürzung von Weihnachtsgeld aufgrund von Krankheit

Dem Urteil des BAG vom 25.01.2023 (Az.: 10 AZR 116/22) lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der klagende Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2003 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Seit dem Dezember 2017 war er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte an den Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ein jährliches Weihnachtsgeld, welches jeweils mit dem Entgelt für den Monat November abgerechnet wurde. Zuletzt zahlte die Beklagte an den Kläger im November 2017 neben der Grundvergütung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.500,- € brutto. In den Folgejahren erhielt der Kläger keine entsprechenden Zahlungen mehr.

Der Arbeitnehmer war der Meinung, dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht an Bedingungen geknüpft gewesen sei und daher auch seine Arbeitsunfähigkeit dem nicht entgegenstünde. Die Arbeitgeberin vertrat dagegen die Auffassung, dass aufgrund der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab dem Jahr 2018 kein Anspruch auf die Zahlung von Weihnachtsgeld mehr bestehe.

Entstehung des Anspruchs auf die Zahlung von Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung

Auch wenn bestimmte Sonderzahlungen – wie z.B. die Zahlung von Weihnachtsgeld – nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag niedergelegt sind, kann der Arbeitnehmer unter Umständen einen Anspruch auf die entsprechenden Sonderzahlungen aus der sogenannten betrieblichen Übung geltend machen.

Voraussetzung für die Anspruchsentstehung ist eine wiederholte Verhaltensweise des Arbeitgebers, die auf eine dauerhafte Einräumung der entsprechenden Leistung schließen lässt. Dazu hatte das BAG in der Vergangenheit bereits entschieden, dass im Falle einer zumindest dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung einer Gratifikation auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers für die Zukunft zu schließen ist. 

Auf diesen Bindungswillen darf der Arbeitnehmer dann vertrauen. So nahm das BAG auch im Streitfall an, dass ein Zahlungsanspruch auf das Weihnachtsgeld durch betriebliche Übung grundsätzlich entstanden sei.

Auslegung der durch betriebliche Übung begründeten Vertragsbedingung 

Die durch eine betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß §§ 305 ff. BGB einzustufen und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auszulegen.

Insbesondere muss durch Auslegung ermittelt werden, ob die Zahlung des Weihnachtsgeldes die Vergütung einer erbrachten Arbeitsleistung zum Zweck hat und es sich somit um eine arbeitsleistungsbezogene Sondervergütung handelt oder ob mit der Zahlung andere Zwecke verfolgt werden. Beteiligt sich der Arbeitnehmer lediglich aus Anlass des Weihnachtsfestes an den Aufwendungen seiner Arbeitnehmer, hängt die Zahlung nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung ab, sondern meist nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an sich und der damit zum Ausdruck kommenden Betriebstreue des Arbeitnehmers.

Im vorliegenden Fall nahm das BAG an, dass es sich um eine nicht rein arbeitsleistungsbezogene Sondervergütung handelt. Dafür sprach die Höhe des geleisteten Weihnachtsgeldes, die unterhalb des Bruttomonatsentgelts lag, was für eine Sonderzahlung ohne Vergütungscharakter spricht.

Zwar ist auch die Auslegung der Zahlung als Gehaltsbestandteil nicht völlig ausgeschlossen. Jedoch gehen etwaige Zweifel bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders, d.h. hier des Arbeitgebers (vgl. § 305c Abs. 2 BGB).

Fehlen einer Kürzungsvereinbarung i.S.v. § 4a EFZG

Da es sich aus Sicht des BAG im Streitfall um eine nicht rein arbeitsleistungsbezogene Sondervergütung handelt, hätte es einer entsprechenden Kürzungsregelung nach § 4a EFZG bedurft.

Besteht eine Kürzungsvereinbarung nicht, ist die Kürzung einer Sondervergütung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten unzulässig.

Für das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Er muss hinreichend erklären, dass eine Kürzungsregel vereinbart worden ist bzw. diese Vereinbarung Teil der betrieblichen Übung geworden ist. Das BAG ging im Streitfall davon aus, dass der Arbeitgeber dazu nicht in ausreichender Weise vorgetragen hat, sodass eine etwaige Kürzungsregel nicht Bestandteil der dargestellten betrieblichen Übung werden konnte. Insofern fehlte es an einer wirksamen Vereinbarung, die die Kürzung des Weihnachtsgeldanspruches aufgrund von krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers rechtfertigen können.

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