Sachverhalt des BAG-Falls zum böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes

Im streitigen Fall hatte ein Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten und anschließend Annahmeverzugslohn eingeklagt. Der Arbeitgeber argumentierte, der Arbeitnehmer habe es böswillig unterlassen, während dieser Zeit einen möglichen Verdienst zu erzielen, weil er seine Mitwirkungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit verletzt und sich nicht ausreichend um eine neue Stelle bemüht habe. Konkret ging es darum ob und wenn ja in welchem Umfang hypothetisch erzielbarer Verdienst - etwa durch erfolgreiche Bewerbungen auf zumutbare Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit - auf den Annahmeverzug anzurechnen sind. 

 

Bedeutung von Annahmeverzugslohn

Erweist sich eine arbeitgeberseitige Kündigung durch ein Gerichtsverfahren im Nachhinein als unwirksam, muss der Arbeitgeber für die Zeit zwischen dem ursprünglichen Ende der Beschäftigung und dem Gerichtsurteil sogenannten Annahmeverzugslohn zahlen, da er die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen hatte. Allerdings wird auf diesen Lohn angerechnet, was der Arbeitnehmer in dieser Zeit durch andere Beschäftigungen entweder tatsächlich verdient hat, oder auch was er hätte verdienen können, wenn er nicht böswillig die Aufnahme einer neuen Beschäftigung unterlassen hätte, § 11 Nr. 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz).

Bedeutung „böswilligen Unterlassens“

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liegt böswilliges Unterlassen vor, wenn der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs vorsätzlich keine zumutbare Arbeit aufnimmt oder sogar verhindert, dass ihm eine solche überhaupt angeboten wird. Das bedeutet: Nicht nur die bewusste Ablehnung einer zumutbaren Tätigkeit, sondern auch das fehlende Bemühen um neue Stellen oder die unterlassene Mitwirkung bei der Agentur für Arbeit können „böswillig“ sein sofern der Arbeitnehmer de Umstände kennt und dennoch untätig bleibt. Reine Fahrlässigkeit recht nicht aus, der Arbeitnehmer muss vorsätzlich handeln. 

Kernaussage des BAG-Urteils zum böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes

  • Im Einzelfall muss geprüft werden, ob der Arbeitnehmer im Streitzeitraum durch sein Verhalten (z.B. fehlende Meldung bei der Agentur für Arbeit, keine Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge) einen zumutbaren Verdienst vorsätzlich unterlassen hat. 
  • Die Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit und das Reagieren auf Vermittlungsvorschläge sind zentrale Anknüpfungspunkte. Der Arbeitgeber kann unter Verweis auf solche Vermittlungsvorschläge substantiiert darlegen, der Arbeitnehmer hätte anderweitige Erwerbsmöglichkeiten gehabt. 
  • Gelingt dem Arbeitgeber diese Behauptung, trägt der Arbeitnehmer nun die Verantwortung darzulegen, warum eine solche Stelle für ihn nicht zumutbar oder eine erfolgreiche Vermittlung trotz Bemühens nicht möglich gewesen wäre. Hat er dies im Prozess überzeugend vorgetragen, ist wiederum der Arbeitgeber gefordert, sich hierauf konkret einzulassen. 

Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Bezug auf Annahmeverzugslohn

  • Arbeitnehmer müssen sich nach einer Kündigung aktiv arbeitssuchend melden und auf Vermittlungsvorschläge reagieren. Andernfalls riskieren sie, dass sich ihr Annahmeverzugslohn um ein hypothetisches Einkommen mindert, dessen Erwerb sie böswillig unterlassen haben. 
  • Arbeitgeber sind gut beraten, vorhandene Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit konkret im Prozess anzugeben, um die Einwendung des böswilligen Unterlassens geltend machen zu können. 
  • Die Zumutbarkeit alternativer Stellen hängt von Art, Arbeitsbedingungen und Entfernung ab. Nicht jede beliebige Tätigkeit ist für Arbeitnehmer zumutbar, eine erhebliche Verschlechterung muss niemand hinnehmen. 

Das BAG konkretisiert mit seinem Urteil (5 AZR 30/22) die Anforderungen und Pflichten beider Parteien im Annahmeverzugsprozess und stärkt insbesondere die Position der Arbeitgeber im Hinblick auf die Beweisführung. Arbeitnehmer sollten ihre Mitwirkungspflichten im Blick behalten, um finanzielle Nachteile zu vermeiden. 

Kompetente Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht

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