Pflicht zur KI-Kompetenz: Warum Unternehmen jetzt handeln müssen
Seit der Einführung von Anwendungen wie ChatGPT, Copilot oder Canva im Jahr 2022 ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Arbeitsalltag in vielen Unternehmen zur neuen Normalität geworden. Texte generieren, Präsentationen aufbereiten, Daten auswerten – all das geht heute schneller und einfacher denn je. Doch mit den Chancen steigen auch die Pflichten: Die neue EU-KI-Verordnung verlangt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit KI-Systemen arbeiten, entsprechend geschult werden müssen.
Schulungspflicht durch die KI-Verordnung
Die KI-Verordnung verpflichtet Unternehmen in der Europäischen Union, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter über ausreichende Kenntnisse im Umgang mit KI verfügen. Das Ziel: Risiken minimieren, Missbrauch verhindern und einen verantwortungsvollen Umgang mit der neuen Technologie gewährleisten. Die Schulungen müssen dabei auf die jeweiligen Arbeitsbereiche und das jeweilige Arbeitsumfeld zugeschnitten sein. Oft reichen allgemeine Online-Kurse nicht aus, da diese nicht auf die konkrete Arbeitssituation der Arbeitnehmer angepasst sind.
Rechtliche Gefahren bei fehlender KI-Kompetenz
Wenn Arbeitgeber auf die Schulungen für ihre Mitarbeiter verzichten oder KI-Systeme ohne klare Richtlinien nutzen, können sie sich erheblichen rechtlichen Risiken aussetzen:
- Diskriminierungen: KI-Systeme können Diskriminierungsrisiken bergen, insbesondere im Rahmen von Bewerbungsverfahren. Hierbei kann die automatisierte Verarbeitung von Bewerberdaten ohne menschliche Überprüfung zu ungewollten Benachteiligungen führen, wenn die Algorithmen auf diskriminierenden Daten basieren oder durch das KI-System Bewerber auf rechtswidrige Weise vom Bewerbungsprozess ausgeschlossen werden.
- Datenschutz: Der Einsatz von KI im Arbeitsumfeld wirft erhebliche Datenschutzfragen auf. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch KI-Systeme muss den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechen. Insbesondere die Überwachung von Arbeitnehmern durch KI-Systeme kann problematisch sein. Allerdings kann auch die Verarbeitung und Speicherung von Kundendaten oder Geschäftsgeheimnissen durch die KI zu datenschutzrechtlichen und sicherheitsrelevanten Problemen führen.
- Fehler bei der Betriebsratsbeteiligung: Die Einführung von KI-Systemen im Betrieb kann Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen. Insbesondere wenn KI-Systeme zur Überwachung von Arbeitsleistungen eingesetzt werden, besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Zudem kann der Einsatz von KI zu psychischen Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern führen, insbesondere wenn die Systeme zur Überwachung oder Bewertung von Arbeitsleistungen eingesetzt werden. Dies kann zusätzliche Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösen.
- Reputationsverlust: Fehlerhafte oder intransparente KI-Anwendungen können das Vertrauen von Kunden und Partnern dauerhaft erschüttern. Insbesondere ein fehlerhafter Umgang mit Kundendaten kann zu einem großen Ansehensverlust und kostspieligen Rechtstreitigkeiten führen. Ein einmal eingetretener Imageschaden lässt sich nachträglich nur schwer wieder rückgängig machen.
Was bedeutet KI-Kompetenz?
KI-Kompetenz umfasst das Verständnis darüber, wie KI-Systeme funktionieren, welche Chancen und Risiken sie bergen und wie sie verantwortungsvoll eingesetzt werden können:
- Allgemein bezieht sich KI-Kompetenz auf die Fähigkeit von Personen, KI-Systeme effektiv zu nutzen und zu verstehen. Dies umfasst technisches Wissen, Erfahrung, Ausbildung und Schulung im Umgang mit KI-Systemen. Verwender von KI-Systemen sind angehalten, sicherzustellen, dass ihr Personal über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügt, um die Systeme sicher und effektiv zu betreiben. Hierzu zählen auch Kenntnisse über den Datenschutz, die rechtlichen Rahmenbedingungen wie insbesondere der KI-Verordnung und ethische Aspekte.
- In Bezug auf das Arbeitsrecht ist KI-Kompetenz besonders wichtig, um die rechtlichen Anforderungen der KI-Verordnung zu erfüllen. Unternehmen müssen die notwendigen Kompetenzen entwickeln, um die Risiken und Bedarfe im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI-Systemen zu bewerten und geeignete interne Prozesse zu etablieren. Dies betrifft insbesondere den HR-Bereich, in dem KI-Systeme zur Personalverwaltung und -überwachung eingesetzt werden können.
Wer ist betroffen und ab wann gilt die Schulungspflicht?
Die Schulungspflicht betrifft alle Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen oder betreiben, unabhängig von ihrer Größe. Dies schließt auch die Nutzung von Tools Anwendungen wie ChatGPT, Copilot oder anderen generativen KI-Anwendungen ein.
Die Verordnung ist nicht nur ein politisches Signal, sondern rechtlich bindend mit einem konkreten Zeitplan:
- Am 1. August 2024 ist die EU-KI-Verordnung offiziell in Kraft getreten.
- Am 2. Februar 2025 hat das Verbot bestimmter riskanter KI-Praktiken begonnen. Gleichzeitig startete die Pflicht zur Schulung der Mitarbeitenden im Umgang mit KI.
- Ab dem 2. August 2026 erfolgt die vollständige Anwendbarkeit der Verordnung. Ab diesen Zeitpunkt sind auch systematische Kontrollen vorgesehen, um die Einhaltung der Vorgaben der KI-Verordnung zu gewährleisten.
Unternehmen, die ihrer Schulungspflicht nicht nachkommen, setzen sich daher rechtlichen Risiken aus. Kommt es infolge fehlender Schulungen zu Datenschutzverstößen, Diskriminierungen oder urheberrechtlichen Verletzungen, kann das Unternehmen zivilrechtlich haften, in schweren Fällen auch die Geschäftsleitung persönlich aufgrund Organisationsverschuldens.
Umsetzung der Schulungspflicht
Die KI-Verordnung gibt keine konkreten Schulungsformate vor, fordert jedoch, dass die Maßnahmen auf die technischen Kenntnisse, Erfahrung, Ausbildung und den spezifischen Einsatzkontext der Mitarbeitenden abgestimmt sind.
Daher sind folgende Schritte empfehlenswert:
- Breite Analyse des KI-Einsatzes im Unternehmen
- Entwicklung individueller Schulungskonzepte
- Durchführung von Schulungen, z. B. via E-Learning oder Workshops
- Dokumentation der Schulungsmaßnahmen
- Regelmäßige Auffrischung und Aktualisierung der Inhalte unter fortlaufender Dokumentation
Proaktives Handeln statt späterer Schadensbegrenzung
Unternehmen sind daher gut beraten, nicht auf eine externe Regulierung zu warten, sondern selbst aktiv zu werden. Die Gefahren, die eine Einführung von KI-Systemen mit sich bringen können, erfordern eine sorgfältige rechtliche Prüfung und gegebenenfalls Anpassungen bei den bestehenden arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, um den Schutz der Arbeitnehmerrechte zu gewährleisten.
Wer Mitarbeitende gezielt schult, klare Einsatzregeln definiert und interne Prozesse überprüft, minimiert Risiken und schafft die Grundlage für einen nachhaltigen, verantwortungsvollen Umgang mit KI. Die Etablierung einer fundierten KI-Kompetenz ist daher nicht nur eine Frage der Compliance, sondern bietet auch ein strategischer Vorteil im digitalen Wettbewerb.
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