Sachverhalt des BAG-Urteils zur Bonusregelung in einer Betriebsvereinbarung
Dem Urteil des BAG (Bundesarbeitsgericht) vom 15.11.2023 (Aktenzeichen: 10 AZR 288/22) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. April 2020 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2014 sah neben einem festen Jahresgehalt auch eine variable Vergütung in Höhe von 15 % des Jahresgehalts vor. Diese Bonusregelung war ausdrücklich an eine Betriebsvereinbarung gekoppelt.
Die Betriebsparteien schlossen im Jahr 2019 eine neue Betriebsvereinbarung. Nach dieser neuen Betriebsvereinbarung hing die Bonuszahlung im Wesentlichen vom globalen Finanzerfolg des Unternehmens ab. Die Vereinbarung enthielt außerdem Einschränkungen: So sollten Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis selbst kündigen, keinen Anspruch mehr auf den Bonus haben.
Der klagende Arbeitnehmer war der Meinung, dass der Ausschluss des Bonus für den Fall einer Eigenkündigung unwirksam sei, da damit bereits erarbeitete Vergütungsbestandteile entzogen würden. Außerdem folge sein Bonusanspruch aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit der damals geltenden Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2014. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019 sei unwirksam. Der Kläger verlangte deshalb den ihm aufgrund seiner Eigenkündigung gekürzten Bonus.
Die Arbeitgeberin berief sich dagegen auf die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019. Sie argumentierte, dass der Bonus nicht die Arbeitsleistung, sondern die Betriebstreue honorieren solle. Deshalb sei der Ausschluss bei Eigenkündigung gerechtfertigt.
Unterschied zwischen Bonus als Arbeitsentgelt oder Bonus als Treueprämie
Die Regelung zum Bonus aus dem Jahr 2014 sah vor, dass der Bonus als zusätzliches Arbeitsentgelt gezahlt wird. Eine Sonderzahlung ist Arbeitslohn, wenn sie die erbrachte Arbeitsleistung vergüten soll. In diesem Fall „verdient“ der Arbeitnehmer den Anspruch Tag für Tag mit seiner Arbeit. Ein späterer Ausschluss (z. B. bei Eigenkündigung) ist dann unwirksam, weil damit bereits erarbeitete Vergütung nachträglich entzogen wird.
Bei Sonderzahlungen, die einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung ausmachen, handelt es sich regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung geschuldet wird. Ein Arbeitsentgeltcharakter des Bonus liegt auch dann nahe, wenn Mitarbeitenden, die im Verlauf des Jahres aufgrund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter oder personenbedingter Kündigung ausscheiden, ein anteiliger Bonus zusteht.
Ein weiteres Indiz für einen Arbeitsentgeltcharakter des Bonus liegt vor, wenn sich für Zeiträume, in denen kein Anspruch auf Entgelt(fort)zahlung besteht (wie z.B. Elternzeit oder Krankheit über den Lohnfortzahlungszeitraum hinaus), der Bonus ebenfalls reduziert wird. Entscheidend für einen Bonusanspruch ist danach die erbrachte Arbeitsleistung.
Daher konnte die Arbeitgeberin den Bonus nach der Regelung aus dem Jahr 2014 nicht einseitig streichen. Der Arbeitnehmer hat sich den Arbeitslohn anteilig verdient.
Der Bonus nach der neuen Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019 hat sich im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung ebenfalls als Arbeitsentgelt herausgestellt, obwohl die Arbeitgeberin behauptete, es sei lediglich eine Treueprämie für eine fortdauernde Betriebszugehörigkeit. Die neu abgeschlossene Betriebsvereinbarung durfte nämlich nicht den Charakter der Bonuszahlung von einem Arbeitsentgelt auf eine Treueprämie ändern. Dagegen spricht sowohl der geschaffene Vertrauenstatbestand, also das Vertrauen der Mitarbeiter darauf, dass sie diesen Bonus als Arbeitsentgelt unabhängig von einer Eigenkündigung erhalten, als auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip: Ein Bonus, der einmal als Arbeitsentgelt vereinbart wurde, bleibt Arbeitsentgelt. Er kann nicht durch Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung in eine Treueprämie umgewandelt werden.
Abgrenzung zu einer Bonuszahlung als Treueprämie
Eine Sonderzahlung kann in anderen Fällen grundsätzlich auch allein die Betriebstreue belohnen. Dann darf der Arbeitgeber die Zahlung an einen Stichtag knüpfen, also daran, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch im Arbeitsverhältnis steht. In diesem Fall entsteht der Anspruch auf die Bonuszahlung erst am Stichtag. Demgegenüber lässt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit der aktiven Arbeit (z.B. während einer Elternzeit) den Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit die reine Betriebstreue unberührt.
Sogenannte Stichtagklauseln oder Stichtagregelungen sind also nur zulässig bei einem Bonus, dessen Zweck ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue dient. Diese sehen zumeist vor, dass der Bonus zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Auszahlung kommt – aber nur unter der Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt ungekündigt besteht. Demnach hätte der Arbeitnehmer, der im Laufe eines Jahres ausscheidet, noch nicht einmal einen anteiligen Anspruch auf die Bonuszahlung.
Grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit unvereinbar mit der Stichtagsklausel
Die Stichtagsregelung in der Betriebsvereinbarung von 2019 wäre aber noch aus einem anderen Grund als dem oben genannten unwirksam, da sie schon gar nicht wirksam vereinbart worden war. Die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019 gilt für alle Arbeitnehmer und ist damit wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) zu behandeln. Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB findet zwar bei Betriebsvereinbarungen keine Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB statt, wie es sonst bei AGB der Fall ist, doch sind die Betriebsparteien beim Abschluss ihrer Vereinbarungen nach § 75 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und damit auch verpflichtet, die grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte zu wahren. Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer.
Die Stichtagsregelung aus der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2019 ist im Hinblick auf die Berufsfreiheit wiederum aus zwei Gründen unwirksam:
Zum einen ist der Arbeitgeber nach § 611a Abs. 2 BGB zur Erbringung der vereinbarten Gegenleistung – also des Gehalts – verpflichtet, soweit der Arbeitnehmer die ihm obliegende Arbeitsleistung erbracht hat. Die Auszahlung verdienten Entgelts ist daher nicht davon abhängig, dass weitere Zwecke erfüllt werden. Diese gesetzliche Wertung bindet auch die Betriebsparteien. Eine unangemessene Benachteiligung liegt also vor, weil die Klausel dem Arbeitnehmer bereits verdientes Arbeitsentgelt nachträglich wieder entzieht.
Zum anderen darf das Recht zur Eigenkündigung nicht mittelbar beschränkt werden (Kündigung würde zum Verlust von Lohn führen). Hier wäre der Arbeitnehmer gezwungen, bis zum Ende des Jahres im Unternehmen zu bleiben, um keinen erheblichen Teil seiner Vergütung zu verlieren. Das führt zu einer überlangen Bindung an das Arbeitsverhältnis, die nicht gerechtfertigt ist. Damit ist eine unangemessene Erschwerung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers verbunden.
Kompetente Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht
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