Sachverhalt des BAG-Falls bzgl. zu weniger Wahlbewerber bei der Betriebsratswahl

Dem Beschluss des BAG (Bundesarbeitsgericht) vom 24.04.2024 (Az. 7 ABR 26/23) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: 

Die Arbeitgeberin ist Trägerin einer Klinik, in welcher rund 170 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind. Bei der im Frühjahr 2022 eingeleiteten Betriebsratswahl erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, mit der Angabe, dass der Betriebsrat aus sieben Mitgliedern zu bestehen habe. Für den Betriebsrat kandidierten jedoch lediglich drei Arbeitnehmerinnen, weshalb die Arbeitgeberin den Wahlvorstand zum Abbruch der Betriebsratswahl aufforderte. Anfang Mai fand die Wahl dennoch statt, bei der jede der drei Bewerberinnen Stimmen bekam. Anschließend gab der Wahlvorstand sodann Mitte Mai 2022 die drei Gewählten bekannt, und es kam daraufhin ein dreiköpfiger Betriebsrat zustande. Die Arbeitgeberin hatte daraufhin vor Gericht beantragt, festzustellen, dass die Betriebsratswahl im Mai 2022 nichtig war, hilfsweise die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Begründet hatte die Arbeitgeberin dies damit, dass der Betriebsrat nicht gesetzeskonform gebildet worden sei und es sich bei der Zahl der Mitglieder nach § 9 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) um eine zwingende Vorgabe handle.

Grundsätze der Betriebsratswahl 

Die Betriebsratswahl ist in den §§ 1 ff. des BetrVG geregelt. Nach § 1 BetrVG kann ein Betriebsrat in Betrieben mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, gewählt werden. Wählbar ist dabei nach § 8 BetrVG jeder Arbeitnehmer, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und mindestens sechs Monate dem Betrieb angehört. Grundsätzlich wird zwischen dem normalen Wahlverfahren und dem vereinfachten Wahlverfahren unterschieden. In Betrieben mit fünf bis 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird nach § 14a BetrVG das vereinfachte Wahlverfahren durchgeführt. In Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Angestellten haben der Wahlvorstand und der Arbeitgeber ein Wahlrecht, das heißt, sie können sich auch darauf einigen, das vereinfachte Verfahren durchzuführen. § 9 BetrVG gibt an, aus wie vielen Arbeitnehmern der Betriebsrat in einem Betrieb bestehen soll. So soll beispielsweise ein Betriebsrat eines Betriebes mit 101 bis 200 Arbeitnehmern aus sieben Mitgliedern bestehen.

Beschluss des BAG bzgl. weniger Wahlbewerber als geplante Betriebsratsmitglieder

Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Hierfür muss ein so schwerer Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl vorliegen, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Ein solcher Fall liege aber nur dann vor, wenn ein Betriebsrat gar nicht gewählt werden könne.

Der Umstand, dass aufgrund mangelnder Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber nur ein kleinerer Betriebsrat gewählt wurde, rechtfertigt jedoch aus Sicht des BAG nicht die Annahme der Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Selbst die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl werde hierdurch nicht begründet.

Dabei ist der Fall, dass es im Betrieb zwar eine ausreichende Zahl an passiv wahlberechtigten Arbeitnehmern gibt, sich aber bei einer Betriebsratswahl weniger Kandidaten um einen Betriebsratssitz bewerben, als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Diese bestehende Regelungslücke schließt das BAG nun dahingehend, dass auch dann ein Betriebsrat gewählt werden kann, wenn es weniger Wahlbewerber gibt.

Es ist dabei so lange auf die jeweils niedrigere Stufe der nach § 9 BetrVG vorgesehenen Mitgliederzahl zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Zahl an Mitgliedern ausreichend ist. Begründet wird dieses Vorgehen mit einer entsprechenden (analogen) Anwendung des § 11 BetrVG. Nach § 11 BetrVG ist die Zahl der Betriebsratsmitglieder der nächstniedrigeren Betriebsgröße zugrunde zu legen, wenn ein Betrieb nicht die ausreichende Zahl von wählbaren Arbeitnehmern hat.

Mit Blick auf das zugrundeliegende Prinzip der Betriebsverfassungsrechte und der Einrichtung von Betriebsräten liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, sofern weniger Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidieren, als es der im Gesetz vorgegebenen Zahl entspricht. Außerdem ist durch das Unterschreiten der in § 9 BetrVG festgelegten Zahl der Betriebsratsmitglieder kein zwingender Rückschluss darauf zu ziehen, dass der Betriebsrat von vornherein arbeits- und beschlussunfähig wäre. Auch hat im entschiedenen Fall bereits vor der Betriebsratswahl festgestanden, dass die Anzahl der Mitglieder des § 9 BetrVG nicht erreicht werden konnte.

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, dass eine Betriebsratswahl nicht ohne Weiteres für nichtig erklärt wird, sondern besondere Ausnahmefälle vorliegen müssen. Es wird klargestellt, dass auch weniger Wahlbewerber bei einer Betriebswahl kandidieren dürfen, als es das Gesetz vorsieht und dies der Betriebsratswahl nicht entgegensteht.

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