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Kündigung und Kündigungsschutz in der Insolvenz: Diese Regeln gelten

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Bei einer Insolvenz des Arbeitgebers ist die Angst vor Kündigungen bei Arbeitnehmern groß. Doch auch in dieser Situation darf der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse nicht beliebig auflösen. Beachtet er die im Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften nicht, kann die Kündigung gerichtlich angegriffen werden. Und das lohnt sich in vielen Fällen, denn nicht immer wird der Betrieb in der Insolvenz vollständig eingestellt.

Kündigung und Kündigungsschutz in der Insolvenz - Verzweifelter Geschäftsmann am Fenster

Kündigung im Insolvenzverfahren: Kein Freibrief für den Arbeitgeber

Sobald der Arbeitgeber in Zahlungsschwierigkeiten gerät und die Insolvenz droht, werden regelmäßig sehr schnell erste Rationalisierungsmaßnahmen ergriffen. 

Zum einen werden häufig die Gehaltszahlungen eingestellt, obwohl die Verpflichtung zur Lohnzahlung unabhängig einer drohenden Insolvenz fortbesteht. Sollte dieser Fall eintreten, können Sie sich an die Agentur für Arbeit wenden und ein sogenanntes Insolvenzgeld beantragen. Dieses Insolvenzgeld in Höhe des Nettoverdienstes erhalten Sie einmalig für den Lohn, der für die letzten 3 Monate Ihres Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aussteht. Das Insolvenzgeld ist steuerfrei.

Zum anderen erfolgen oftmals Kündigungen bezüglich eines Großteils der Belegschaft. Dabei gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Kündigungsschutzes unabhängig der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weiter. So muss die Kündigung vor allem schriftlich erfolgen und dem Arbeitnehmer im Original (also mit der Originalunterschrift) zugehen. Besteht ein Betriebsrat, muss dieser vor jeder Kündigung ordnungsgemäß angehört werden. Weiterhin sind die besonderen Kündigungsschutzvorschriften für Schwangere, Betriebsratsmitglieder und Arbeitnehmern in Elternzeit zu beachten. 

Wegen der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens ergeben sich von diesen allgemeinen Kündigungsregeln allerdings verschiedene Abweichungen.

Kündigungsberechtigung bei Insolvenz-Kündigungen

Dies beginnt bereits mit der Frage des Kündigungsberechtigten: Nur in Fällen, in denen kein Insolvenzverwalter bestellt ist (sog. Eigenverwaltung), kann der Arbeitgeber weiterhin die Kündigungen selbst aussprechen. Dies allerdings nur dann, wenn das Insolvenzgericht nicht aufgrund eines Antrags der Gläubigerversammlung anordnet, dass ein sogenannter Sachverwalter der Kündigung vorher zustimmen muss. 

In der Regel wird hingegen ein Insolvenzverwalter bestellt. Vor formeller Insolvenzeröffnung ist dies der sogenannte vorläufige Insolvenzverwalter. Dieser soll die Vermögensmassen beim Arbeitgeber sichern und prüfen, ob ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden kann. Er hat grundsätzlich keine Kündigungsbefugnis. Anders der „echte“ Insolvenzverwalter ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Dieser übernimmt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Arbeitnehmers vollständig. Entsprechend hat er auch das Recht zur Kündigung. Damit kann nur der Insolvenzverwalter, nicht aber der Arbeitgeber kündigen. 

Ob ein Insolvenzverwalter bestellt wurde oder ein Fall der Eigenverwaltung vorliegt, wird Ihnen bei der Information über die Insolvenzeröffnung mitgeteilt. Außerdem finden Sie diese Information in den Insolvenzbekanntmachungen.

Kündigungsfrist: Besonderheiten ab Insolvenzeröffnung

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten für ordentliche Kündigungen die normalen Kündigungsfristen gemäß den Regelungen im Arbeits- und Tarifvertrag oder – sofern solche fehlen oder nicht wirksam sind – gemäß § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Bei letzterem ist insbesondere entscheidend, wie lange das Arbeitsverhältnis bereits besteht.

Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift die spezielle Kündigungsfrist des § 113 Insolvenzordnung (InsO). Hiernach ist eine Kündigung unabhängig der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende zulässig. Dies gilt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für leitende Angestellte. Allerdings greift die verkürzte Kündigungsfrist nicht, wenn eine wirksame, noch kürzere Frist im individuellen Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag vereinbart ist.

Insolvenz allein ist kein Kündigungsgrund

Aus § 113 InsO folgt zudem der Wille des Gesetzgebers, dass die bloße Insolvenz keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung darstellen kann. Der Arbeitgeber kann einen Mitarbeiter also nicht mit dem Argument fristlos entlassen, dass hiermit Kosten eingespart und die Insolvenz verhindert werden soll.

Das schließt allerdings nicht eine betriebsbedingte Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen aus. Obwohl die Insolvenz selbst kein solches Erfordernis darstellt, hat sie mittelbar Einfluss auf diese Wirksamkeitsvoraussetzung. Ein dringendes betriebliches Erfordernis liegt nämlich insbesondere dann vor, wenn der konkrete Arbeitsplatz wegen insolvenzbedingten Umstrukturierungen oder Betriebsstillegungen wegfällt. In diesen Fällen ist allerdings – wie immer bei einer betriebsbedingten Kündigung – eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchzuführen.

Kündigungsschutzklage in der Insolvenz: Kein aussichtsloser Fall

Da im Wesentlichen die Kündigungsschutzvorschriften auch während eines Insolvenzverfahrens gelten, ist die drohende Insolvenz kein Freibrief für Arbeitgeber. Im Gegenteil: Besonders die Sozialauswahl im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung fällt oftmals rechtsfehlerhaft aus und führt zur Unwirksamkeit der Entlassung. Diese kann allerdings grundsätzlich nur binnen drei Wochen ab Zugang der Kündigung vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden. Daher ist für Arbeitnehmer ein schnelles Handeln gefragt.

Anders als verbreitet angenommen, lohnt sich die Kündigungsschutzklage aus wirtschaftlicher Sicht in vielen Fällen. Zwar ist der Arbeitgeber in der Insolvenz vollständig zahlungsunfähig, sodass der Arbeitnehmer maximal eine geringe Insolvenzquote für seine Ansprüche erhält. Allerdings wird der betroffene Betrieb in einigen Fällen ganz oder teilweise auf einen Dritten übertragen, der dann grundsätzlich alle Arbeitnehmer übernehmen muss. Bei diesem sogenannten Betriebsübergang können das Arbeitsverhältnis beim neuen Inhaber fortgesetzt oder jedenfalls bestehende und übergegangene Zahlungsansprüche von diesem eingefordert werden. Zu letzteren zählen insbesondere die oben genannten Lohnansprüche, die auch während der Insolvenz weiter entstehen. Insgesamt bietet der Betriebsübergang damit eine gute Ausgangslage im Prozess, um eine Abfindung zu verhandeln.

Ob im Laufe des Insolvenzverfahrens tatsächlich eine Betriebsveräußerung stattfindet, ist zum Klagezeitpunkt allerdings nicht immer absehbar. Besonders wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben und damit faktisch kein Kostenrisiko im Prozess tragen, lohnt es sich dennoch, die Chance zu ergreifen. Als erfahrene Fachanwälte für Arbeitsrecht helfen wir Ihnen dabei und beraten Sie professionell und ehrlich über die rechtlichen sowie wirtschaftlichen Erfolgschancen in Ihrem Fall. Kontaktieren Sie uns daher gerne.