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Gekündigt trotz Krankmeldung

Arbeitsrecht Kündigung Krankheit Kündigungsschutz

Die Frage, ob ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber (rechtzeitig) übersandt hat, führt in der Praxis regelmäßig zu Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien. Wie soll ein Arbeitnehmer beweisen, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig abgeschickt hat? Und wie soll ein Arbeitgeber beweisen, dass er diese nicht bekommen hat? Wenn der Beweis nicht mehr möglich ist, wem glaubt man, zu wessen Lasten geht die Frage? Wer trägt also die Beweislast?

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Kündigungsschutzprozess –wer trägt die Beweislast für die Übersendung?

Nicht selten muss im Rahmen eines Kündigungsschutzstreites über diese Fragen entschieden werden. Hierzu kommt es regelmäßig dann, wenn ein Arbeitgeber eine Kündigung, manchmal sogar eine fristlose Kündigung, ausspricht, weil er angeblich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten hat.

Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber in solchen Fällen insoweit Recht zugeben, als dass der Arbeitnehmer gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (kurz: EFZG) verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit (AU-Bescheinigung) sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. In einigen Arbeitsverträgen ist darüberhinaus geregelt, dass der Arbeitnehmer schon am ersten Tag der Krankheit eine ärztliche Bescheinigung also eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorlegen muss. Solche Klauseln sind in der Regel durchaus wirksam.

Übersendet der Arbeitnehmer also tatsächlich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder zu verspätet, und erscheint nicht zur Arbeit, so verstößt er gegen Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag. Der Arbeitgeber kann ihn abmahnen und früher oder später auch kündigen.

Nun ergibt sich in der Praxis leider öfter die Situation, dass ein Arbeitgeber einen erkrankten Mitarbeiter ohnehin gerne kündigen möchte. Es ist vielen Arbeitgebern ein leichtes, zu behaupten er würde die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erhalten.

Übrigens bieten hier weder Einwurfeinschreiben noch Einschreiben mit Rückschein eine Lösung. Erstere gibt nicht einmal Auskunft über den Empfänger, bei letzterem kann man zwar nachweisen, dass man dem Arbeitgeber etwas übermittelt hat, nicht jedoch was. Als gerichtlicher Beweis dienen beide in der Regel nicht.

Es bleibt also bei der Frage, wer trägt die Beweislast?

Arbeitgeber stellen sich gerne auf die Position, dass der Arbeitnehmer ja in der Pflicht ist, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu überweisen. Er müsse daher auch beweisen, dass er dieser Pflicht nachgekommen ist.

Diese Sichtweise verkennt aber die klassische Beweislastverteilung im Rechtsverkehr:

Grundsätzlich muss vor Gericht jeder die Umstände beweisen, die für seine Position günstig sind. Spricht der Arbeitgeber also eine Kündigung aus, so muss er beweisen, dass es Gründe für die Kündigung gibt. Der Arbeitergeber muss also beweisen, dass der Arbeitnehmer gegen seine Pflicht verstoßen hat, indem er der Nachweisplicht aus § 5 EFZG nicht nachkommen ist.

Das LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 8.8.2006, 2 Sa 76/06) hat diesen Grundsatz gerade für den Fall des vom Arbeitgeber behaupteten Verstoßes gegen die Nachweispflicht nach § 5 EFZG bestätigt:

„Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass die Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe nicht vorliegen (BAG AP Nr. 76 zu § 626 BGB; AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1979). Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn es um die Frage der Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht aus § 5 EFZG geht und der Arbeitnehmer dabei - wie im Streitfalle - konkret vorträgt, wann er die ihn treffenden Verpflichtungen auf welche Weise erfüllt hat. Dass der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zur Post gegeben hat, konnte die Beklagte nicht beweisen.“
(LAG Rheinland-Pfalz Entscheidung vom 8.8.2006, 2 Sa 76/06)

Für die Praxis

Dieses Urteil bedeutet im Klartext, wenn der Arbeitnehmer beweisen kann, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war, und auch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines Arztes noch hat, genügt es, wenn er vor Gericht vorträgt, dass er diese auch rechtzeitig abgeschickt hat. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht bekommen hat. Dies wird im regelmäßig sehr schwer fallen und einen allenfalls durch Zeugen zum Beispiel aus der Posteinlaufstelle oder dem Sekretariat möglich sein.

Etwas anderes würde sich nur ergeben, wenn der Arbeitnehmer überhaupt keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat. Dann wird er kaum beweisen können, dass er arbeitsunfähig war und er ist im Ergebnis unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben. Und dies könnte nach wiederholter Abmahnung natürlich eine Kündigung rechtfertigen.

Dieser Grundsatz ist auch naheliegend. Jede andere Verteilung der Beweislast würde zu ungerechten Ergebnissen führen: Regelmäßig wird es gerade bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern, die meist aufgrund ihrer Erkrankung ohnehin schon bei der Bewältigung ihres Alltags belastet sind, unmöglich sein, zu beweisen, eine AU-Bescheinigung übersandt zu haben. Missbrauch seitens des Arbeitgebers wäre Tür und Tor geöffnet. Gerade bei einer Vielzahl von AU-Bescheinigung ist es für Arbeitgeber ein leichtes, immer wieder den verspäteten Zugang zu behaupten, zu rügen und schließlich aus diesem Grund eine Kündigung auszusprechen. Der Arbeitnehmer würde dem machtlos gegenüberstehen, da ihm der Beweis der rechtzeigen Übersendung regelmäßig unmöglich sein wird. Dies würde im Ergebnis zu einer drastischen Einschränkung des Kündigungsschutzes führen.