Mit der Frage, ob ein Befangenheitsantrag gegen einen Richter auch noch nach der Urteilsverkündung möglich ist, hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Beschluss vom 25. April 2024 (Az.: 8 AZN 833/23) befasst:
Sachverhalt: Befangenheitsantrag nach Urteilsverkündung
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Kläger in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) mit seiner Klage verloren. Das LAG entschied, keine Revision zuzulassen, dem Kläger also zunächst nicht die Möglichkeit zu geben, noch eine Ebene höher in die dritte Instanz zu gehen. Gegen diese Entscheidung des LAG legte der Kläger eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG ein, er begehrte also die Zulassung seines Verfahrens auch für die dritte Instanz.
Nachdem das Urteil des LAG bereits verkündet worden war, stellte der Kläger zudem einen Befangenheitsantrag gegen einen der am Urteil beteiligten Richter. Das Urteil war zu diesem Zeitpunkt bereits mündlich verkündet worden, lediglich die Urteilsgründe waren noch nicht schriftlich übersandt worden. Ziel des Klägers war es offenbar, das bereits ergangene Urteil um jeden Preis nachträglich zu Fall zu bringen und eine erneute Entscheidung zu erzwingen. Das BAG hat dieses Vorgehen jedoch als unzulässig zurückgewiesen.
Rechtliche Einordnung des Befangenheitsantrags durch das BAG
Das BAG stellt in seinem Beschluss klar: Ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter kann grundsätzlich bis zum vollständigen Abschluss der jeweiligen Instanz gestellt werden. Wird ein solcher Antrag jedoch erst nach Verkündung des Urteils eingereicht, so kann er sich nur noch auf zukünftige, noch ausstehende Entscheidungen beziehen. Dies betrifft beispielsweise einem Urteil nachfolgende Entscheidungen über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe oder die Festsetzung des Streitwerts.
Ein Ablehnungsgesuch, das darauf abzielt, das bereits verkündete Urteil aufzuheben oder abzuändern, ist hingegen unzulässig. Das bereits verkündete Urteil kann außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Instanzenzugs grundsätzlich nicht mehr geändert werden. Dies gilt auch dann, wenn die schriftlichen Entscheidungsgründe zum Zeitpunkt des Befangenheitsantrags noch nicht vorliegen oder noch nicht von den Richtern unterschrieben sind, das Urteil aber mündlich bereits verkündet wurde.
Sinn und Zweck des Befangenheitsantrags
Das Recht, einen Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, dient dem Schutz des Vertrauens der Parteien in die Unparteilichkeit der Justiz. Es soll sicherstellen, dass keine Zweifel an der Neutralität und Objektivität der entscheidenden Richter bestehen. Dieses Recht entfaltet jedoch nur dann Wirkung, wenn noch offene Entscheidungen im Verfahren zu erwarten sind, an denen der betroffene Richter mitwirken könnte. Mit der Verkündung des Urteils ist das Verfahren inhaltlich abgeschlossen; ein nachträgliches Ablehnungsgesuch kann hieran nichts mehr ändern.
Für die anwaltliche Praxis und für die Parteien bedeutet dies: Wer Zweifel an der Unparteilichkeit eines Richters hat, sollte ein Ablehnungsgesuch unverzüglich nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes und spätestens vor der Urteilsverkündung stellen. Nachträgliche Ablehnungsgesuche, die allein auf eine Änderung oder Aufhebung des bereits verkündeten Urteils abzielen, sind unzulässig und haben keine Aussicht auf Erfolg.
Das BAG hat mit seinem Beschluss eindeutig klargestellt: Ein Befangenheitsantrag nach der Urteilsverkündung kann nicht dazu dienen, ein bereits ergangenes Urteil zu beseitigen oder zu korrigieren. Wer Zweifel an der Neutralität des Gerichts hat, muss frühzeitig handeln – nach der Urteilsverkündung ist es hierfür zu spät.
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