Arbeitsrechtsthemen aus dem Koalitionsvertrag im Überblick
Arbeitszeit / Zeiterfassung
- Tageshöchstgrenze soll durch eine Wochenobergrenze von 48 Stunden ersetzt werden
- Einführung einer verpflichtenden elektronischen Arbeitszeiterfassung; kleine Betriebe erhalten Übergangsfristen
- Vertrauensarbeitszeit soll demnach zulässig, solange die erfassten Zeiten den EU-Vorgaben genügen.
Überstunden und Aufstockung
- Zuschläge für Arbeit über die betriebsübliche Vollzeit sollen künftig lohnsteuerfrei gestellt werden.
- Teilzeitbeschäftigte, die ihre Stunden erhöhen, könnten eine ebenfalls steuerlich begünstigte Aufstockungsprämie erhalten.
Aktivrente
Arbeitnehmer, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeiten, könnten bis zu 2 000 € monatlich steuerfrei hinzuverdienen.
Online-Betriebsrat
Betriebsratssitzungen, -versammlungen und -wahlen sollen künftig auch per Videokonferenz möglich sein; die Mitbestimmung kann damit standortunabhängig werden, wie es kurzzeitig bereits während der Corona-Pandemie möglich war.
Mindestlohn
Für die Entwicklung des Mindestlohns wird an der Mindestlohnkommission festgehalten; ab 2026 könnte ein Stundenlohn von 15 € erreichbar sein. Grundlage für die Berechnungen soll neben der Tarifentwicklung ein Richtwert von 60 % des Medianlohns sein.
Flexiblere Arbeitszeit und digitale Zeiterfassung
Die Umstellung von einer täglichen Höchstgrenze auf eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden verschiebt den Schwerpunkt weg von der aktuellen starren, tageweisen Betrachtung hin zu einer Berücksichtigung des Gesamtumfangs der Arbeitszeit. Beschäftigte können Phasen mit hoher Arbeitsbelastung nun anders verteilen – vorausgesetzt, die verpflichtenden Ruhezeiten bleiben gewahrt. Dies erleichtert unter anderem auch moderne Arbeitszeitmodelle wie etwa die immer beliebter werdende Verteilung einer Vollzeitstelle auf eine 4-Tage-Woche, die nach der aktuellen Gesetzeslage noch durch die festgelegten täglichen Höchstarbeitsgrenzen erschwert werden.
Auch wenn der Koalitionsvertrag nichts zum Umfang und der Art und Weise der Zeiterfassung regelt, wurde bereits angekündigt, dass eine elektronische Zeiterfassung verpflichtend eingeführt werden soll. Kleine und mittlere Unternehmen sollen hierfür angemessene Übergangsfristen bekommen. Das schafft Rechtssicherheit nach der BAG-Entscheidung vom 13. September 2022 sowie der EuGH-Rechtsprechung und erleichtert im Streitfall den Nachweis bei Überstunden- oder Freizeitausgleichsansprüchen. In Betrieben mit Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin ein hoher Gestaltungsspielraum gelten; entscheidend ist allein, dass das erfasste Stundenkonto objektiv, verlässlich und zugänglich bleibt.
Steuerfreie Zuschläge und Aufstockungsprämie
Um Überstunden attraktiver zu machen, will der Gesetzgeber die Zuschläge künftig von der Lohnsteuer frei, sofern sie auf Arbeitsstunden oberhalb der tariflichen oder betrieblichen Vollzeitgrenze entfallen. Der Effekt: Die zusätzliche Vergütung kommt nahezu brutto gleich netto auf dem Konto an.
Teilzeitkräfte könnten ebenfalls profitieren. Wer seine Wochenstundenzahl erhöht, soll eine steuerbegünstigte Prämie erhalten, deren konkrete Ausgestaltung über eine Rechtsverordnung festgelegt werden könnte. Damit will die Koalition Anreize setzen, brachliegende Stundenpotenziale im Betrieb ohne langfristige Verpflichtungen zu mobilisieren – ein Pluspunkt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.
Aktivrente: steuerfreier Zuverdienst im Rentenalter
Das Konzept ist einfach: Wer das Regelrentenalter erreicht hat und weiterarbeiten möchte, darf künftig bis zu 2.000 € im Monat steuerfrei hinzuverdienen. Eine Anrechnung auf die Rente findet bereits jetzt nicht mehr statt. Die gesetzlichen Rentenpunkte erhöhen sich zudem durch den zusätzlichen Verdienst. Dadurch kombiniert die Aktivrente finanzielle Planbarkeit für ältere Arbeitnehmer mit einer flexiblen Personalreserve für Betriebe.
Online-Betriebsrat: Mitbestimmung wird digital
Der Koalitionsvertrag will die Präsenzpflicht für Betriebsratsarbeit aufgeben. Sitzungen sollen per Video abgehalten werden dürfen, Beschlüsse elektronisch gefasst und – nach technischem Feintuning – selbst Betriebsratswahlen online durchgeführt werden. Beschäftigte bekommen damit eine niedrigere Schwelle zur Teilnahme, insbesondere in filialisierten oder hybriden Organisationen. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Fragen, Anträge oder Wahlvorschläge lassen sich künftig ortsunabhängig einbringen und mitverfolgen.
15 Euro Mindestlohn bis 2026 erreichbar
Die Mindestlohnkommission soll auf jeden Fall bestehen und in ihrer Tätigkeit unabhängig bleiben. Aktuell beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro. Ab 2026 soll der Mindestlohn voraussichtlich stark ansteigen und es könnte ein Stundenlohn von 15 Euro erreichbar sein. Relevant dafür ist insbesondere die Entwicklung der Tarifverträge sowie ein Richtwert von 60 % des Medianlohns sein. Der Medianlohn ist das Einkommen, an dem es genauso viele Beschäftigte mit einem Einkommen darunter wie mit einem Einkommen darüber gibt.
Kompetente Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht
Unsere spezialisierten Anwälte begleiten Sie bei allen Fragen rund um Arbeitszeit, Vergütungssysteme und Mitbestimmung. Wir prüfen Ihre Verträge, unterstützen bei der Einführung elektronischer Zeiterfassung und vertreten Ihre Interessen im Streitfall. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit.