Das besondere Teilzeit-Modell „Arbeit auf Abruf“
Arbeit auf Abruf ist eine besondere Form der flexiblen Teilzeitarbeit. Hierbei vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber, dass die Arbeit nicht nach einem festgelegten Arbeitszeitmodell abgeleistet wird, sondern nur „auf Abruf“. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer also erst kurzfristig mit, wann und wie lange gearbeitet werden soll, je nach dem jeweiligen Arbeitsanfall und Bedarf.
Normalerweise trägt der Arbeitgeber das Risiko, seine Mitarbeiter auch dann regelmäßig bezahlen zu müssen, wenn im Betrieb gerade weniger Arbeit anfällt. Diese Risikoverteilung wird durch das Modell der „Arbeit auf Abruf“ teilweise zulasten des Arbeitnehmers verschoben. Denn wenn er nur bei Bedarf eingesetzt werden muss, hat nun der Arbeitnehmer das Risiko, dass es aufgrund eines geringeren Arbeitsanfalls keine sinnvolle Beschäftigung für ihn gibt.
Vertraglich festgelegte Rahmen-Arbeitszeiten bei der Arbeit auf Abruf
Gewöhnlich werden die täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag vereinbart. Der Arbeitgeber ist nach § 12 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) auch bei der Arbeit auf Abruf grundsätzlich zur Festlegung der täglichen und wöchentlichen (Rahmen-)Arbeitszeit verpflichtet. Durch diese Vorschrift soll eine verlässliche Berechnungsgrundlage für ein regelmäßiges Einkommen und damit auch für sozialversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet werden.
Da bei der Arbeit auf Abruf aber gerade nicht im Vorhinein festgelegt werden kann, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gebraucht wird, handelt es sich bei den Vereinbarungen in der Regel um Mindest- oder Höchstarbeitszeiten. Dadurch wird ein möglichst flexibler Abruf des Arbeitnehmers ermöglicht. Jedoch hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 TzBfG dieser Flexibilität einige Grenzen gesetzt. Demnach darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei einer vereinbarten Mindestarbeitszeit maximal bis zu 25 Prozent dieser wöchentlichen Arbeitszeit über die Mindestarbeitszeit hinaus abrufen. Bei einer vereinbarten Höchstarbeitszeit darf der Arbeitgeber diese bei der Einteilung des Arbeitnehmers maximal um 20 Prozent unterschreiten.
Ohne Vereinbarung der Arbeitszeit sind die Vorgaben des TzBfG maßgeblich
Komplizierter wird es, wenn die Arbeitszeit – entgegen der gesetzlichen Vorschrift – nicht arbeitsvertraglich festgelegt ist, der Arbeitsvertrag aber eine Arbeit auf Abruf vorsieht. Das Gesetz sieht vor, dass das Fehlen der Regelung nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen darf. Trotz des Gesetzesverstoßes ist der Arbeitsvertrag deshalb in diesen Fällen nicht unwirksam.
Nach § 12 Abs. 1 TzBfG gilt in solchen Fällen eine fiktive wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. Aus dieser Stundenzahl sind einerseits die gerichtlich durchsetzbaren Entgeltansprüche des Arbeitnehmers abzuleiten. Andererseits bestimmt sich danach auch die Versicherungs- und Beitragspflicht in den Sozialversicherungen. Unberücksichtigt bleibt dagegen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat und vergütet wurde.
- Es stellt sich jedoch die Frage, ob das auch gilt, wenn der Arbeitnehmer faktisch und regelmäßig gerade nicht 20 Stunden pro Woche arbeitet. Mit der Frage, ob eine wöchentliche Arbeitszeit nur ausdrücklich vereinbart werden kann oder sich auch aus einer regelmäßigen abweichenden Arbeitszeit ergeben kann, hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 18.10.2023 (Aktenzeichen: 5 AZR 22/23) befasst.
BAG: Abweichen von der fiktiven Arbeitszeit von 20 Wochenstunden ist Ausnahmefall
Im konkreten Fall war die Klägerin bei der Beklagten als Mitarbeiterin auf Abruf beschäftigt. Eine Arbeitszeit war im Arbeitsvertrag nicht festgehalten worden. In einem Zeitraum über drei Jahre hinweg arbeitete die die Klägerin durchschnittlich 103,2 Stunden im Monat und damit regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden.
Es stellte sich die Frage, ob sich der Arbeitsvertrag durch die tatsächliche Arbeitszeit geändert habe und nun so gelesen werden müsste, als seien mehr als 20 Wochenstunden vereinbart worden (sogenannte „ergänzende Vertragsauslegung“). Die Klägerin beantragte deshalb die Feststellung, dass ihre zu erbringende regelmäßige monatliche Arbeitszeit 103,2 Stunden beträgt.
Diese Auffassung wies das BAG zurück und nimmt eine solche ergänzende Vertragsauslegung – und somit eine Abweichung von der fiktiven Wochenarbeitszeit in Höhe von 20 Stunden nach § 12 Abs. 1 TzBfG – nur in Ausnahmefällen an. Dies gilt vor allem dann, wenn die fiktive Wochenarbeitszeit im konkreten Fall keine sachgerechte Lösung darstellen würde. Nach der Rechtsprechung muss es konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine höhere oder niedrigere Arbeitszeit als 20 Wochenstunden vereinbaren wollten. Nicht ausreichend ist es jedoch, dass der Arbeitnehmer in einem willkürlichen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses regelmäßig mit einer abweichenden Arbeitszeit beschäftigt wird.
Anders ist es jedoch nach der Rechtsprechung des BAG zu bewerten, wenn die abweichende Arbeitszeit bereits konkludent vereinbart wurde. Eine konkludente Vereinbarung liegt vor, wenn ein schlüssiges Verhalten auch ohne ausdrückliche Erklärung auf einen entsprechenden Willen schließen lässt. In diesem Fall greift die Fiktion der 20 Wochenstunden nicht. Auf eine ergänzende Vertragsauslegung kommt es dann nicht mehr an. Doch auch hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Daher lässt das BAG die bloße Beschäftigung in höherem oder geringerem Umfang in einem willkürlichen Zeitraum nicht genügen.
Kompetente Beratung durch Anwälte für Arbeitsrecht
Die vielfältigen gesetzlichen und durch die Rechtsprechung entwickelten Vorgaben zur Arbeit auf Abruf können dieses Modell sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber kompliziert erscheinen lassen. Da die Arbeitszeit ein maßgebliches Kriterium für Vergütung und sozialversicherungsrechtliche Fragen ist, sollte man sich hier unbedingt einen Überblick verschaffen. Unser Team aus Rechtsanwälten für Arbeitsrecht kann Sie dabei unterstützen, die beste Lösung für Ihren individuellen Fall zu finden. Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf!